Geschichte des Fürstenhauses
Nur wenige Menschen wissen heute noch, dass die Herrschaft Rheda und die Grafschaft Limburg an der Lenne mit der Burg Hohenlimburg einst selbständige Staaten waren. Die Geschicke dieser Regionen Westfalens waren über Jahrhunderte eng mit dem Haus Bentheim- Tecklenburg verknüpft.
Die Grafen und späteren Fürsten zu
Bentheim-Tecklenburg waren souveraine Herrscher im Heiligen Römischen
Reich. Im Lauf der Jahrhunderte waren die Schlösser in Rheda und
Hohenlimburg
wechselseitig Haupt- und Nebenresidenzen, von
denen aus die Regierungsgeschäfte ausgeübt wurden. Seit 1988 bewohnt das
Fürstenhaus, in der 24. Generation, wieder Schloss Rheda. Fürst
Moritz-Casimir und Fürstin Sissi geb. Gräfin von
Hardenberg haben von Schloss Rheda aus viel für die kulturelle und
betriebswirtschaftliche Entwicklung ihres Erbes getan. Seit 2001 ist
das Fürstenpaar auf den Alterssitz Kloster
Herzebrock umgezogen. Die neuen Bewohner, Erbprinz Maximilian zu
Bentheim-Tecklenburg und seine Gattin Marissa geb. Fortescue aus dem
Hause der Earls
Fortescue führen die mittelalterlichen Gemäuer
und die Wirtschaftsbetriebe des Fürstenhauses in das neue Jahrtausend.
Zur Geschichte des Schlosses und der Herrschaft Rheda
Der erste urkundliche erwähnte Herr zu Rheda war
Everwin, der 1142 als Vogt des Klosters Freckenhorst in die Annalen
einging. Sein Sohn Widukind ging 1185 als Begründer des
Zisterzienserklosters Marienfeld in die
Geschichte ein. Durch seine verwandtschaftlichen Beziehungen zu den
mächtigen Grafen von Werl, deren Herrschaft sich über weite Gebiete
Nordwestdeutschlands erstreckte und die mit
einer Vielzahl der deutschen Herrscherhäuser verwandt waren, konnte er
eine einflussreiche Position am Hof Herzog Heinrichs des Löwen
aufbauen. In Rheda besaß Widukind Eigengüter
sowie die Vogtei- und Gerichtsrechte, die er teilweise auf das
Zisterzienserkloster Marienfeld übertrug. Der Kreuzritter verstarb 1195
kinderlos bei der
Schlacht von Akkon im Heiligen Land. Die
Herrschaft Rheda erbte sein Waffenbruder Bernhard II. zur Lippe (um 1140
-1224). 1196 legte Bernhard seine Waffen nieder und wandte sich als Abt
von
Marienfeld und später als Bischof von Semgallen
in Lettland einer kirchlichen Laufbahn zu.
Der älteste seiner
zahlreichen Söhne, Hermann II (gest. 1229), erbte
die Herrschaft und ließ das Schloss zur
lippischen Hauptresidenz ausbauen. Die prächtige Doppelkapelle im
Torturm des Schlosses mit der ältesten Darstellung der lippischen Rose
stammt aus der
Zeit Hermanns II. Sieben Generationen der
Edelherren zur Lippe herrschten über das Rhedaer Land. Die lippische
Herrschaft endete 1365 mit dem Tod Bernhard V. zur Lippe, welcher Rheda
an seine
älteste Tochter Adelheid vermachte, deren Erbe
durch ihre Ehe mit dem Grafen Otto V dem Haus Tecklenburg zufiel. Von
1365 bis 1557 blieb Rheda Nebensitz der Grafen von Tecklenburg. Der
letzte
Nachkomme der Tecklenburger Grafen, Konrad
(1493-1557) bezog Stellung in den Glaubensfragen seiner Zeit. Als
überzeugter Protestant führte er die Lutherische Lehre in seiner
Herrschaft Rheda ein.Das
Haus Bentheim-Tecklenburg hat die Burganlage seit Beginn des 17.
Jahrhunderts zur gräflichen und später fürstlichen Residenz ausgebaut.
Beachtlich sind die im Stil der
Weserrenaissance und des schlichten
westfälischen Barocks erbauten Flügelbauten, welche die
mittelalterlichen Wehrtürme verbinden.
Zur Geschichte der Burg und Grafschaft
Hohenlimburg
Hohenlimburg liegt in Südwestfalen an der Grenze
zum Sauerland, ungefähr einhundert Kilometer entfernt von Rheda. Die
Geschichte der Hohenlimburg beginnt mit dem Anschlag auf den Kölner
Erzbischof Engelbert von Berg durch Graf
Friedrich von Isenberg. Um 1240 erbaute dessen Sohn Dietrich die Burg
für seinen Streit um das verlorene Erbe des geächteten Vaters. Mit der
Hilfe seines
Onkels, des Herzogs von Limburg gelang es
Dietrich, einen kleinen Teil des väterlichen Erbes an sich zu bringen.
Die Grafen von Isenberg-Limburg herrschten auf Schloss Hohenlimburg bis
zum
Erlöschen des Geschlechts 1511. Die Burg wurde
an die Grafen von Neuenahr vererbt, welche die Anlage durch Bauten am
Pallas erweiterten. Graf Hermann von Neuenahr führte 1560 die
Reformation in der Grafschaft Limburg ein. Er
unterstützte den 1582 zum Protestantismus konvertierten Kölner
Erzbischof Gebhard Truchseß von Waldenburg, dessen Nachfolger Ernst von
Bayern
sein erbitterter Gegner wurde. Der kinderlose
Nachfolger Hermanns, Graf Adolf von Neuenahr musste1584 die Belagerung
und Besetzung der Hohenlimburg durch Kurkölnische Truppen
hinnehmen, die bis über seinen Tod hinaus
andauerte.
Graf Arnold vereinigt die Bentheimischen Territorien
Im Ausgehenden
16. Jahrhundert wurden Rheda und Hohenlimburg in der Hand des Grafen
Arnold von Bentheim vereint. Die Rechte an der Grafschaft Limburg mit
der Burg Hohenlimburg erbte Arnold
1573 von seinem Schwager Adolf, dem letzten Graf
von Neuenahr. Rheda gehörte zu dem Tecklenburger Erbe, welches Arnolds
Mutter, die Gräfin Anna von Tecklenburg (1528-1582) 1553 durch ihre Ehe
mit dem Grafen Everwin III von Bentheim
(1536-1562) in die Familie brachte. Als einer der bedeutenden
Landesherren des Deutschen Reiches herrschte Graf Arnold über die
Grafschaften Bentheim,
Tecklenburg, Steinfurt, Gronau und Limburg sowie
die Herrschaft Rheda. Er ging verantwortungsvoll mit seinem bedeutenden
Erbe um. Durch Schulgründungen förderte er vor allem die
Wissenschaften und die Volksbildung. Graf Arnold
war der erste Landesherr in Westfalen, der bereits zu sehr früher Zeit
die Hexenverfolgung verbot.
Das gräfliche Haus Bentheim-Tecklenburg
In dem aufgeklärten Geist regierten auch Graf
Arnolds Nachfolger die Bentheimischen Territorien. Der älteste Sohn
Adolf erhielt Tecklenburg und Rheda. 1618 bekam er die Grafschaft
Limburg mit
der Hohenlimburg von seinem frühverstorbenen
jüngeren Bruder Konrad-Gumprecht hinzu. Damit war die Grundlage des
Hauses Bentheim-Tecklenburg gelegt. In der Geschichte des
Tecklenburgischen Familienzweigs gab es
verlustreiche Einschnitte. 1633, während der Wirren des Dreißigjährigen
Krieges musste Graf Moritz die Belagerung und Besetzung der
Hohenlimburg durch den
Feldherren Lothar Dietrich von Bönninghausen
hinnehmen. Auch litt das Haus Bentheim-Tecklenburg bereits früher als
andere Herrscherhäuser unter der Machtentfaltung Preußens. Die
Besetzung der Grafschaft Tecklenburg durch die
damals bedeutendsten Militärmacht zwang Graf Moritz-Casimir I sich 1729
in dem seit 1577 andauernden Erbstreit durch einen Vergleich zu
einigen. Wegen des Verlustes der gräflichen
Residenz in Tecklenburg wurde die Hofhaltung nach Hohenlimburg verlegt.
Die Burg wurde entsprechend ihrer repräsentativen Nutzung für die
gräfliche Hofhaltung erweitert und ausgebaut. Zu
Begin des Siebenjährigen Krieges wurde Schloss Rheda mit einem
repräsentativen Barocktrakt (1745-1756) und einem kleinen
Hoftheater (1780) zur Residenz ausgebaut. Eine
bedeutende Notensammlung mit Originalhandschriften wurde angelegt,
welche durch das Hoforchester zur Aufführung kamen.
Wirtschaftliche Vorteile
Ein gravierender Verlust an politischer Macht
erfolgte durch die Okkupation Westfalens durch die Napoleonische Grande
Armee. 1808 wurden die Herrschaft Rheda und die Grafschaft Limburg dem
von Napoleon geschaffenen Großherzogtum Berg
(Hauptstadt: Düsseldorf) zugeschlagen. Graf Emil Friedrich wurde nach
dem Zusammenbruch der napoleonischen Herrschaft nicht wieder in
seine Regierungsrechte eingesetzt. Rheda und
Limburg wurde vorerst unter preußische Verwaltung gestellt und 1815
endgültig Preußen zugesprochen. Diese Jahre brachten dem Hause
Bentheim-Tecklenburg nicht nur Nachteile, da mit
der Säkularisation (=Verweltlichung kirchlichen Eigentums) der
weltliche Besitz der Klöstern und Stifte auf den Landesherren und sein
Haus überging.
Die in der Herrschaft Rheda gelegenen Klöster
Herzebrock und Clarholz wurden 1803 von Moritz Casimir II. aufgehoben.
Das Damenstift Elsey bei Hohenlimburg wurde von Emil Friedrichs nach
großherzoglich-bergischen Recht säkularisiert.
Damit wurde ein Jahrhunderte andauernder Interessenskonflikt mit den
klösterlichen Landständen beendet, der den Landesherren bislang in
seiner
Entscheindungsfreiheit beschränkt hatte.
Die standesherrlichen Rechte und Pflichten
Das Haus Bentheim-Tecklenburg behielt wichtige
Hoheitsfunktionen aus der verflossenen Landeshoheit. Darunter waren die
Gerichtsbarkeit in erster Instanz, die Ortspolizei und die Kirchen-
und Schulaufsicht. Am 20. Juli 1817 erhob König
Friedrich Wilhelm III. von Preußen den Grafen Emil Friedrich zu
Bentheim-Tecklenburg in den erblichen preußischen Fürstenstand. Das Haus
Bentheim
-Tecklenburg bewahrte die regionale Verwurzelung
und Verantwortung für das Wohlergehen der Bevölkerung. Fürst Moritz
Casimir I. (1795 – 1872) erkannte den Aufbau des Schienennetzes
in Deutschland als Schlüssel der regionalen
Entwicklung. Er nutzte seine guten Beziehungen zum Königlichen Hof in
Potsdam für die Umverlegung der ursprünglich anders geplanten
Bahnstrecke
Dortmund-Berlin über Rheda. Im Interesse der
Rhedaer Bevölkerung und Wirtschaft stellte Fürst Moritz-Casimir der
Preußischen Verwaltung Flächen für den Trassenbau zur Verfügung. Seine
Ehefrau Fürstin Agnes (1804-1866) diente dem
Gemeinwohl durch die Gründung der Evangelischen Stiftung mit dem ersten
Krankenhaus und Kindergarten in Rheda. Auch die Nachkommen
fanden im Engagement für die Öffentlichkeit ihre
Rolle in der Gesellschaft. 1872 folgte Franz (1800 – 1885) als dritter
Fürst, danach dessen Neffe Fürst Gustav (1849-1909) der 1888 Thekla
von Rothenberg (1862-1941) heiratete.
Eine neue Zeit beginnt
Das einzige
Kind aus dieser Ehe, Erbprinz Adolf (1889-1967), folgte seinem Vater als
fünfter Fürst. In seiner Jugend sah der Fürst
die Welt der Belle Epoque in Rauch und Asche
aufgehen. Im I. Weltkrieg geriet er als Leutnant des Leibgarde
Husarenregiments in Gefangenschaft der Russischen Revolutionsarmee, der
er in einer
gewagten Fluchtaktion entkam. Mit dem Untergang
der Monarchie endeten 1918 ein Großteil der persönlichen Vorrechte der
Standesherren. Das Pflichtbewusstsein in der Region und die lokale
Verwurzelung blieben. Besonders die Zeit des
Wiederaufbaus nach dem II Weltkrieg brachte neue Herausforderungen.
Durch die Bereitstellung von Siedlungsflächen für Ostflüchtlinge
ermöglichte
Fürst Adolf den ersten Wachstumsschub im
damaligen Kreis Wiedenbrück. Der Fürst beteiligte sich am Wiederaufbau
durch die Mitgründung der Möbelfirma COR. Fürstin Amelie (1902 -1995)
erhielt für ihr Engagement beim Deutschen Roten
Kreuz das Bundesverdienstkreuz und das Ehrenabzeichen des DRK.
Prinz
Moritz-Casimir, der seit dem Unfalltod seines Vaters 1967
sechster Fürst zu Bentheim-Tecklenburg ist, trat
in die Fußstapfen seiner Eltern. Das wesendliche Anliegen des
Diplom-Forstwirtes ist die Pflege der Fürstlichen Patonate im den
Kirchenkreisen Iserlohn
und Gütersloh. Aus seinem vollen Namen geht die
tiefe Verwurzelung des Hauses in der Tradition hervor: Moritz Casimir
Widukind Gumprecht Fürst zu Bentheim- Tecklenburg, Graf zu
Tecklenburg und Limburg, Herr zu Rheda,
Wevelinghoven, Hoya, Alpen und Helpenstein, Erbvogt von Köln.
Unbeschränkt vererbliches Prädikat: Durchlaucht. Fürst Moritz
Casimir ist seit
1958 mit Gräfin Huberta von Hardenberg (geb.
1932), genannt Sissi, verheiratet. Die in Südafrika geborene Fürstin,
die durch ihren Onkel Heinrich Graf von Hardenberg als Diplomatenkind
aufgezogen wurde, hat sich im Umwelt- und
Denkmalschutz engagiert. Mit ihrem autodidaktisch angeeigneten
Fachwissen hat die Fürstin gemeinsam mit Fürst Moritz-Casimir die
Rhedaer
Archivbestände bearbeitet, Schriften zur
Geschichte des Fürstenhauses verfasst, Forschungsprojekte begleitet und
damit die Grundlage zur Forschung über das Haus Bentheim-Tecklenburg
gelegt. Für die gewissenhafte Restaurierung der
Innenräume des Schlosses Rheda wurde die Fürstin mit dem
Denkmalschutzpreis der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ausgezeichnet.
Die
musikalische Tradition lebte bei
Konzertaufführungen auf historischen Originalinstrumenten durch die
Pioniere der historischen Aufführungspraxis wieder auf. Ein weiteres
Anliegen
der Fürstin ist nach wie vor die Kunstförderung.
Sie betreibt die Galerie unter den Linden in ihrem neuen Alterswohnsitz in Herzebrock, den sie 2001 gemeinsam mit Fürst Moritz-Casimir bezogen hat.